Vorgeschichte Sara

Alter: 23 Jahre

Aussehen: mittelgroß, schlank, braun-blonde wellige Haare, graublaue Augen, ganz leicht gebräunte Haut

Charakter: intelligent, kann gut kombinieren, ist gut darin, Menschen zu lesen, misstrauisch

Vera

Hi, mein Name ist Vera. Ich bin 15 Jahre alt und komme aus Duisburg. Ich tanze gerne, male und spiele Geige. Außerdem backe ich ab und zu. Und natürlich lese und schreibe ich gerne, leider finde ich in den letzten Monaten zwar nicht mehr so viel Zeit dafür, hoffe aber, es wird wieder besser. 

„Sara? Sara!“

Ich schrak auf. Desorientiert und noch leicht benommen blickte ich mich um. Über mir war das Gesicht meiner Kollegin Hannah, das von Sorge erfüllt war.

„Hast du etwa schon wieder hier übernachtet?“ Vorwurfsvoll sah sie mich an und stemmte ihre Hände in die Hüften. 

„Vielleicht ...“ 

„Sara!“ 

„Ja, okay, okay. Ich habe eine Nachtschicht eingelegt und weiter an einem Fall gearbeitet, doch dann habe ich irgendwie die Zeit aus den Augen verloren. Nur so nebenbei, wie viel Uhr ist es eigentlich?“ 

„Halb acht.“

„Danke.“ 

Hannah seufzte. „So kann das nicht weitergehen. Denkst du, dein Körper kann ewig einem solchen Druck standhalten?! Du machst dich kaputt! Wir kriegen als Polizisten sowieso schon wenig Schlaf, aber du übertriffst mal wieder alle!“ Wütend sah sie mich an. 

„Es tut mir leid ...“ 

Sie seufzte. „Schon okay, und jetzt geh und ruh dich aus. Ich sag dem Boss, du bist krank. Und wehe du schläfst nicht, deine Augenringe sind nämlich eine absolute Katastrophe!“

Ich lachte und verabschiedete mich. Ein kühler Wind schlug mir entgegen, als ich das Polizeipräsidium verließ, denn trotz meist warmer Temperaturen konnte es morgens doch noch ziemlich kalt sein. Ich zog die Jacke enger um mich, verließ schnellen Schrittes die Straße und bog in eine Gasse ab. Zwei Monate und rein gar nichts. Zwei Monate und das einzige, was er hinterließ, waren Opfer. 

 

 

Ich hatte die ganze Nacht über versucht, irgendwelche Zusammenhänge zu finden, um vielleicht wenigstens das Motiv des Serienmörders herauszufinden, doch das einzige, was die Opfer gemeinsam hatten, war, dass sie tot waren! Und natürlich dieselbe Mordwaffe, ein Messer, jedes Mal dasselbe. Eine schlaue Taktik, dieselbe Mordwaffe zu verwenden, man lässt nie etwas anderes als die Leichen zurück, und die Mordwaffe kann nicht als Hinweis dienen. Aber ich würde diesen Mörder finden, und wenn ich Brandon um Hilfe bitten musste ... 

Riiiiing. Mein Handy klingelte und unterbrach meinen Gedankenfluss. Nummer unterdrückt ... 

„Hallo?“ 

„Guten Morgen, Sara.“ 

Ich versuchte, die Stimme jemandem zuzuordnen, doch es schien so, als ob die Person am Hörer einen Stimmenversteller benutzte. „Wer ist da?“

„Ich bin jemand, für den Sie sich sehr interessieren. Ich habe mich etwas über Sie informiert. Und über Ihre Vergangenheit ...“  

„Wer sind Sie?“

„Wer ich bin. Bitte, Sie kennen mich doch. Ich bin der berühmtberüchtigte Dortmunder Serienmörder!“ 

Meinte er das etwa ernst? War er wirklich der Mörder?

„Wenn das ein Witz sein soll, ist er echt nicht lustig.“ 

„Ich würde doch nicht über so etwas Ernstes Witze machen, ich will nur helfen.“

Vielleicht sagte er wirklich die Wahrheit, doch eins war klar, wer immer er war, helfen wollte er mir ganz sicher nicht.

„Wie, bitteschön, wollen Sie mir denn helfen?“

„Wissen Sie, mir ist gerade etwas langweilig, und da dachte ich mir, wie wäre es, wenn wir zusammen ein kleines Spiel spielen würden?“

Ein Spiel, wie dämlich, so was würde wirklich nur ein gelangweilter Psychopath sagen.

„Was für ein Spiel?“

„Ich werde mich morgen in der Thier-Galerie aufhalten, um einige Besorgungen zu machen.“

„Und was hat das jetzt mit mir zu tun?“, fuhr ich ihn an. 

„So undankbar ... Ist es nicht das, was Sie wollten? Der lang ersehnte Hinweis auf den Aufenthaltsort des Mörders. Ich gebe Ihnen die Chance, mich zu fassen. Doch Sie müssen Ihre Arbeitskollegen leider zu Hause lassen. Die können dann ja vielleicht beim nächsten Mal mitspielen.“ 

Interessant, äußert interessant, ich hatte mir schon gedacht, dass der Mörder sehr von sich selbst überzeugt war, so offensichtlich wie er uns immer ins Gesicht lachte. Doch anscheinend war er nicht nur selbstsicher, sondern auch noch überaus leichtsinnig.

„Mal angenommen, Sie befinden sich tatsächlich morgen in der Thier-Galerie. Das bedeutet noch lange nicht, dass Sie der Serienmörder sind und nicht bloß irgendein dämlicher Witzbold, der sich einen Spaß daraus macht, die Zeit von Polizisten zu vergeuden!“ 

„Wenn Sie mir nicht zumindest ein klitzekleines bisschen glauben würden, hätten Sie schon längst aufgelegt. Sie wissen doch selbst, dass Sie noch keinerlei Spur haben. Sie sind verzweifelt. Ich bin Ihre einzige Hoffnung ... Wir sehen uns dann morgen. Ich freue mich schon! Und nicht vergessen: Kommen. Sie. Alleine.“ Und damit legte die Person auf. 

Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Sollte ich die anderen informieren, dies war schließlich der erste richtige Hinweis, den wir hatten! Aber was, wenn alles nur ein Scherz war? Wir würden wertvolle Ressourcen verschwenden, und die Stadt brauchte sie jetzt mehr denn je. Nein, ich würde alleine dort hingehen, und wenn es wirklich der Serienmörder war, dann würde ich sicherstellen, dass er seine gerechte Strafe bekäme.

 

 

 

Glastüren ragten vor mir auf und reflektierten mein Spiegelbild. Rote Buchstaben hoben sich von dem farblosen Gebäude ab. Ich holte tief Luft und ging hinein. Menschenmassen strömten an mir vorbei, alle versunken in ihre eigenen Gedanken. Jeder, der sich hier befand, war auf der Suche nach etwas. Genauso wie ich. Die Wahrscheinlichkeit, in diesem Menschengedränge überhaupt etwas zu finden, war gleich null. Doch ich bereute nicht, hierhergekommen zu sein. Ich war lange nicht mehr unter so vielen Menschen. Schon als Kind fand ich so etwas immer interessant. An fremden Menschen vorbeizulaufen und zu wissen, dass jeder seine eigenen Geheimnisse hat. Zu wissen, dass auch nur eine Sekunde von Unachtsamkeit alles zerstören kann. Ich erinnerte mich jedoch nur ungern an meine Vergangenheit, geschweige denn an meine Kindheit. Unangenehm ... Zurück zu dem eigentlichen Grund, weswegen ich hier war. Der Mörder. Als ich mir die Menschenmassen noch einmal ansah, wurde mir die Aussichtslosigkeit meiner Mission erst richtig bewusst. Doch aufgeben würde ich nicht. Ich ging auf eine Rolltreppe zu und fuhr hoch. Ich seufzte und murmelte: „Dann mal los.“ Ich ging in Geschäfte, belauschte verschiedene Personen um herauszufinden, ob sie irgendetwas Verdächtiges bemerkt hatten, aber ich fand nichts. Wer auch immer der Mörder sein mochte, er war auf jeden Fall äußerst gerissen. Es würde doch schwerer werden, als ich gedacht hatte. Aber es wurde auch mal langsam wieder Zeit, dass mich jemand so richtig forderte. Sonst würde dieser Job auf Dauer langweilig werden. Seufzend setzte ich mich auf eine Bank. Gerade als ich darüber nachdachte, was mein nächster Zug sein würde, kam eine Durchsage. Alle sollten die Thier-Galerie aufgrund von Corona mit sofortiger Wirkung verlassen. Panik brach aus. Menschen wollten an mir vorbei, drängten zum Ausgang. Schnell begab ich mich in eine ruhige Ecke, um nachzudenken. Sollte ich die Thier-Galerie auch verlassen? Ich war zwar hier, um den Mörder zu finden, aber falls er hier sein sollte, verließ er die Galerie bestimmt ebenfalls. Ich konnte aber auch bleiben und untersuchen, ob der Mörder etwas hinterlassen hatte. Seiner Gerissenheit nach zu urteilen, würde dies zwar kaum der Fall sein. Aber ich war mindestens genauso gerissen. Außerdem hatte ich schon in viel aussichtsloseren Situationen gesteckt.